.

12. Gesetz über den Status der Körperschaft des öffentlichen Rechts von Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften für
Baden-Württemberg
(Körperschaftsstatusgesetz – KStatusG)

Vom 27. Mai 2025

(GBl. Nr. 43)

###

Teil 1
Verleihung und Entziehung des Körperschaftsstatus

#

§ 1
Anspruch auf Erstverleihung

( 1 ) Eine Vereinigung mit Sitz im Landesgebiet kann verlangen, dass ihr die Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts verliehen werden, wenn die Vereinigung
  1. Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft ist (Gemeinschaft),
  2. die Gewähr der Dauer bietet und
  3. rechtstreu ist.
( 2 ) Religionsgemeinschaft ist eine Vereinigung, wenn sie die Angehörigen desselben Glaubensbekenntnisses oder mehrerer verwandter Glaubensbekenntnisse zur allseitigen Erfüllung der dadurch gestellten Aufgaben zusammenfasst. Weltanschauungsgemeinschaft ist eine Vereinigung, wenn sie die Angehörigen einer gemeinschaftlich zu pflegenden nicht-religiösen Weltanschauung zur allseitigen Erfüllung der dadurch gestellten Aufgaben zusammenfasst. Ob es sich um ein Glaubensbekenntnis oder eine Weltanschauung handelt, bestimmt sich jeweils unter Berücksichtigung des Selbstverständnisses der Vereinigung nach tatsächlichem geistigem Gehalt und äußerer Erscheinung.
( 3 ) Der Wirkungsbereich einer solchen Gemeinschaft muss sich in der Regel über mehrere Stadt- und Landkreise erstrecken.
#

§ 2
Gewähr der Dauer

( 1 ) Gewähr der Dauer bietet die Gemeinschaft, wenn nach ihrem tatsächlichen Gesamtzustand einschließlich der Zahl ihrer Mitglieder zu erwarten ist, dass sie dauerhaft bestehen wird.
( 2 ) Die Gemeinschaft muss in der Lage sein, ihren finanziellen Verpflichtungen auf Dauer nachzukommen. In der Regel muss die Gemeinschaft mindestens 30 Jahre lang im Bundesgebiet bestanden haben. Ihre Finanzausstattung, die Intensität ihres religiösen oder weltanschaulichen Lebens, ihre etwaige Einbindung in eine größere internationale Gemeinschaft sowie die Entwicklung ihres Mitgliederbestands einschließlich Altersstruktur und sozialer Zusammensetzung sind zu berücksichtigen.
( 3 ) Angehörige, die bereits Mitglieder einer anderen Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft sind, zählen im Regelfall nicht zur Zahl ihrer Mitglieder.
#

§ 3
Rechtstreue

Die Gemeinschaft ist nicht rechtstreu, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, die Gemeinschaft werde
  1. das geltende Recht missachten, insbesondere die ihr übertragene Hoheitsgewalt unter Verstoß gegen verfassungsrechtliche und sonstige gesetzliche Bindungen ausüben, oder
  2. die in Artikel 79 Absatz 3 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland umschriebenen Verfassungsprinzipien, die dem staatlichen Schutz anvertrauten Grundrechte Dritter oder die Grundprinzipien des freiheitlichen Religionsverfassungsrechts gefährden.
#

§ 4
Antrag

( 1 ) Der Antrag muss entweder darauf gerichtet sein, dass eine neue juristische Person mit Körperschaftsrechten entsteht, oder darauf, dass eine bestehende juristische Person oder rechtsfähige Personengesellschaft Körperschaftsrechte erhält.
( 2 ) Den Antrag stellt, wer die juristische Person oder rechtsfähige Personengesellschaft vertritt oder von den Angehörigen der Gemeinschaft dazu bevollmächtigt worden ist. Die Vertretungsmacht ist nachzuweisen.
( 3 ) Der Antrag bedarf der Schriftform. Ihm sind beizufügen:
  1. eine Darstellung der geschichtlichen Entwicklung der Gemeinschaft und ihrer wesentlichen religiösen Glaubenssätze oder weltanschaulichen Grundsätze,
  2. die Satzung oder vergleichbare Regelungen der Gemeinschaft,
  3. die geplanten Ordnungen der Körperschaft des öffentlichen Rechts insbesondere mit Bestimmungen über die Vertretung und Leitung, die Grundzüge des Rechts der Wirtschaftsführung, die Mitgliedschaft, etwaige Unterverbände und das Verfahren der Rechtssetzung,
  4. die Bestätigung einer Wirtschaftsprüferin oder eines Wirtschaftsprüfers über den Vermögensstand sowie die Einnahmen und Ausgaben der Gemeinschaft in den vergangenen fünf Kalenderjahren sowie darüber, dass die Körperschaft des öffentlichen Rechts nach ihrem Mitgliederstand und ihren Vermögensverhältnissen voraussichtlich in der Lage sein wird, ihren finanziellen Verpflichtungen auf Dauer nachzukommen,
  5. eine Auflistung, welche Vermögensgegenstände in die Körperschaft des öffentlichen Rechts eingebracht werden sollen,
  6. ein nach Altersgruppen geordnetes anonymisiertes Verzeichnis der Mitglieder zum Antragszeitpunkt sowie vor zehn und vor 20 Jahren einschließlich Angaben zu den Wohnorten und Staatsangehörigkeiten sowie eine Erklärung, inwieweit diese Personen bereits Mitglieder anderer Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaften sind.
( 4 ) Bis zur Entscheidung über den Antrag kann eine schriftliche oder elektronische Erklärung verlangt werden, ob in der Zwischenzeit wesentliche Änderungen eingetreten sind, und, wenn die Gemeinschaft die Verzögerung der Entscheidung zu vertreten hat, eine erneute Bestätigung einer Wirtschaftsprüferin oder eines Wirtschaftsprüfers auf Grundlage der inzwischen vergangenen Kalenderjahre.
#

§ 5
Verfahren

( 1 ) Das zuständige Ministerium benachrichtigt die entsprechenden Behörden der anderen Länder von dem Antrag.
( 2 ) Den Ministerien des Landes und deren nachgeordneten Behörden kann Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden. Eine andere Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft ist anzuhören, wenn sich die Gemeinschaft aus jener entwickelt haben soll oder sie deren Angehörige als eigene Mitglieder ansieht.
( 3 ) Die Entscheidung soll im Benehmen mit den zuständigen Behörden der anderen Länder ergehen.
( 4 ) Die Verleihung von Körperschaftsrechten an eine juristische Person oder rechtsfähige Personengesellschaft, die zur Eintragung in ein Register angemeldet worden ist, wird der registerführenden Stelle von Amts wegen mitgeteilt.
#

§ 6
Anspruch auf Zweitverleihung

( 1 ) Will eine Gemeinschaft mit Sitz in einem anderen Land die Körperschaftsrechte, die ihr dort verliehen worden sind, in Baden-Württemberg ausüben, so bedarf es zusätzlich der Verleihung für das Landesgebiet.
( 2 ) Die §§ 1 bis 5 sind entsprechend anzuwenden.
( 3 ) Soweit ein anderes Land die Voraussetzungen der Verleihung geprüft hat, ist das Ergebnis dieser Prüfung angemessen zu berücksichtigen.
#

§ 7
Entziehung

( 1 ) Die Körperschaftsrechte können einer Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Sitz im Landesgebiet entzogen werden, wenn sie
  1. das beantragt hat,
  2. keine Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft mehr ist,
  3. keine Mitglieder mehr hat,
  4. ihren Sitz ins Ausland verlegt hat,
  5. nicht mehr die Gewähr der Dauer bietet, sie insbesondere dauerhaft ihren finanziellen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen kann, oder
  6. nicht mehr rechtstreu ist.
( 2 ) Absatz 1 ist entsprechend anzuwenden, wenn nach § 6 einer Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Sitz in einem anderen Land Körperschaftsrechte für das Landesgebiet verliehen worden sind. Soweit ein anderes Land die Voraussetzungen der Verleihung oder Entziehung geprüft hat, ist das Ergebnis dieser Prüfung angemessen zu berücksichtigen.
( 3 ) Verlegt eine Körperschaft des öffentlichen Rechts ihren Sitz in ein anderes Land, ohne einen Anspruch auf Zweitverleihung nach § 6 zu haben, so können ihr die Körperschaftsrechte für das Landesgebiet entzogen werden.
( 4 ) Eine Entziehung erfolgt nicht, soweit die Gemeinschaften nach Artikel 140 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland1# in Verbindung mit Artikel 137 Absatz 5 Satz 1 der deutschen Verfassung vom 11. August 19192# Körperschaften des öffentlichen Rechtes bleiben.
#

§ 8
Wirkung der Entziehung

( 1 ) Mit der Entziehung verliert die Körperschaft des öffentlichen Rechts diesen Status. Danach finden die Vorschriften des bürgerlichen Rechts Anwendung.
( 2 ) Bei der Entziehung kann das zuständige Ministerium die Rechtsfolgen insbesondere für Untergliederungen oder Zweckverbände der Körperschaft des öffentlichen Rechts, für in ihrem Bereich begründete öffentlich-rechtliche Dienst- und Treueverhältnisse sowie für von ihr gewidmete öffentliche Sachen klarstellen oder unter Berücksichtigung der Interessen von Betroffenen und des Schutzes des Rechtsverkehrs abweichend bestimmen.
#

§ 9
Form und Bekanntmachung der Entscheidung

( 1 ) Die Verleihung erfolgt durch Aushändigung einer Urkunde. Der verfügende Teil des Verwaltungsaktes wird unter Nennung des Tages des Wirksamwerdens im Gesetzblatt veröffentlicht; für die Entziehung gilt das entsprechend.
( 2 ) Das zuständige Ministerium veröffentlicht in seinem amtlichen Bekanntmachungsblatt aus Anlass der Verleihung oder Entziehung von Körperschaftsrechten eine Auflistung aller Gemeinschaften, die im Landesgebiet Körperschaftsrechte ausüben können, und der altrechtlichen öffentlich-rechtlichen religiösen Genossenschaften.
#

Teil 2
Untergliederungen und andere Einrichtungen

#

§ 10
Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts

( 1 ) Örtliche Gemeinden und überörtliche Untergliederungen innerhalb einer Gemeinschaft, die Körperschaft des öffentlichen Rechts ist, erlangen die Körperschaftsrechte auf Antrag der Gemeinschaft durch Anerkennung des zuständigen Ministeriums, wenn sie ihren Sitz im Landesgebiet haben.
( 2 ) Verbände, die aus mehreren öffentlich-rechtlichen Untergliederungen von Gemeinschaften, die Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, zur gemeinsamen Erfüllung bestimmter religiöser oder weltanschaulicher Aufgaben gebildet werden (Zweckverbände), können im Einvernehmen mit dem Ministerium, in dessen Geschäftsbereich der Zweck des Verbands überwiegend fällt, anerkannt werden.
( 3 ) Die Gemeinschaft macht die Anerkennung öffentlich bekannt.
#

§ 11
Änderungen in dem Bestand oder der Abgrenzung

( 1 ) Die Gemeinschaft gibt vor Änderungen in dem Bestand oder der Abgrenzung ihrer Untergliederungen oder Zweckverbände den räumlich beteiligten unteren Verwaltungsbehörden Gelegenheit zur Äußerung.
( 2 ) Die Gemeinschaft teilt die Änderungen dem zuständigen Ministerium mit und macht sie anschließend öffentlich bekannt.
#

§ 12
Aberkennung und Verlust der Körperschaftsrechte

( 1 ) Auf Antrag der Gemeinschaft werden ihren Untergliederungen oder Zweckverbänden die Körperschaftsrechte aberkannt. § 10 ist entsprechend anzuwenden.
( 2 ) Untergliederungen und Zweckverbände verlieren die Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, wenn sie aus der Gemeinschaft ausscheiden oder die Gemeinschaft im Landesgebiet keine Körperschaftsrechte mehr ausüben kann. Das zuständige Ministerium kann den Verlust in seinem amtlichen Bekanntmachungsblatt veröffentlichen.
#

§ 13
Vermögensrechtliche Folgen

Die vermögensrechtlichen Folgen von Änderungen werden von der Gemeinschaft nach ihren Ordnungen oder billigem Ermessen geregelt, wenn sich nicht die beteiligten Untergliederungen oder Zweckverbände wirksam darüber einigen.
#

§ 14
Gemeinsame Wahrnehmung von Rechten

( 1 ) Gemeinschaften desselben Bekenntnisses oder mehrerer verwandter Bekenntnisse können unabhängig von ihrer Rechtsform ihre Rechte aus Artikel 7 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland3#, den Artikeln 10 und 19 Absatz 2 der Verfassung des Landes Baden-Württemberg4# sowie den §§ 96 bis 99 des Schulgesetzes für Baden-Württemberg gemeinschaftlich ausüben. Sie bestimmen ihre Vertretung und die Art der Zusammenarbeit. Dazu errichtete Einrichtungen erwerben die Rechtsfähigkeit nach den allgemeinen Vorschriften.
( 2 ) Wer maßgebliche Ämter in einer solchen Einrichtung innehat, muss
  1. unbeschadet der weitergehenden Anforderungen des § 99 Absatz 1 des Schulgesetzes für Baden-Württemberg über eine Vorbildung verfügen, die zur geordneten und verlässlichen Zusammenarbeit mit der Landesverwaltung befähigt, und
  2. die Gewähr bieten, die staatliche Rechtsordnung zu achten.
#

Teil 3
Schlussbestimmungen

#

§ 15
Vertretung und Vermögensverwaltung

( 1 ) Gemeinschaften, die Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, regeln für sich und ihre öffentlich-rechtlichen Untergliederungen, Zweckverbände, Anstalten und Stiftungen die Vertretung sowie die Grundzüge des Rechts der Wirtschaftsführung durch eigene Ordnungen. Diese Ordnungen sind dem zuständigen Ministerium mitzuteilen.
( 2 ) Ordnungen über die Vertretung können erst in Kraft treten, wenn das zuständige Ministerium nicht innerhalb von zwei Monaten nach Eingang der Mitteilung widerspricht.
( 3 ) Ordnungen über die Grundzüge des Rechts der Wirtschaftsführung und, wenn das zuständige Ministerium nicht widersprochen hat, über die Vertretung sind von der Gemeinschaft öffentlich bekannt zu machen.
#

§ 16
Bestehende juristische Personen

( 1 ) Die Kirchen, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften sowie ihre Kirchengemeinden, örtlichen Gemeinden, Gesamtkirchengemeinden, Kirchenbezirke und andere Untergliederungen, kirchlichen Verbände, Dom- und Landkapitel sowie religiöse Genossenschaften bleiben Körperschaften des öffentlichen Rechts, soweit sie es bisher waren.
( 2 ) Nimmt eine religiöse Genossenschaft für sich in Anspruch, altrechtliche Körperschaft des öffentlichen Rechts zu sein, hat sie dies dem zuständigen Ministerium innerhalb von zwei Jahren ab erstmaliger Bekanntmachung einer Auflistung nach § 9 Absatz 2 anzuzeigen, wenn sie in der Auflistung nicht aufgeführt ist. Sie hat dabei ihren Namen, ihren Sitz und, soweit zumutbar, den Tag der Verleihung der Körperschaftsrechte im Landesgebiet sowie die verleihende Stelle anzugeben.
#

§ 17
Zuständigkeit

Zuständig nach diesem Gesetz ist das Kultusministerium.
#

§ 18
Namensschutz; Ordnungswidrigkeiten

( 1 ) Den Rechtsformzusatz „Körperschaft des öffentlichen Rechts“ oder „K. d. ö. R.“ dürfen Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaften, Untergliederungen oder Zweckverbände derselben sowie religiöse oder weltanschauliche Genossenschaften nur führen, wenn sie Körperschaften des öffentlichen Rechts sind.
( 2 ) Ordnungswidrig handelt, wer entgegen Absatz 1 für bestehende oder vermeintliche Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaften, Untergliederungen, Zweckverbände sowie religiöse oder weltanschauliche Genossenschaften den Rechtsformzusatz „Körperschaft des öffentlichen Rechts“, „K. d. ö. R.“ oder eine Bezeichnung führt, die diesen Rechtsformzusätzen zum Verwechseln ähnlich ist.
( 3 ) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu einhunderttausend Euro geahndet werden.

#
1 ↑ Red. Anm.: Abgedruckt unter Nr. 10 dieser Sammlung.
#
2 ↑ Red. Anm.: Abgedruckt unter 10a dieser Sammlung.
#
3 ↑ Red. Anm.: Abgedruckt unter Nr. 10 dieser Sammlung.
#
4 ↑ Red. Anm.: Abgedruckt unter Nr. 11 dieser Sammlung.