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Kirchengericht:Verwaltungsgericht der Evangelischen Landeskirche in Württemberg
Entscheidungsform:Urteil
Datum:12.07.2013
Aktenzeichen:VG 06/12
Rechtsgrundlage:§ 34 KVwGG; § 40 Abs. 1 VVZG-EKD; § 40 Abs. 5 VVZG-EKD
Vorinstanzen:keine
Schlagworte:Wiederaufgreifen Ermessen

Leitsatz

und Urteil des Verwaltungsgerichts
der Evangelischen Landeskirche in Württemberg
vom 12. Juli 2013

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Leitsatz:

  1. Zum Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens im kirchlichen Bereich.
  2. Bei der Ablehnung des Wiederaufgreifens des Verfahrens (im weiteren Sinne) nach § 40 Abs. 5 VVZG-EKD i.V.m. §§ 36, 37 VVZG-EKD handelt es sich um eine Ermessensentscheidung der Behörde, welche vom Verwaltungsgericht lediglich auf Ermessensfehler hin überprüft werden kann.
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Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
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Tatbestand

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Die Klägerin begehrt von der Beklagten die aufsichtsrechtliche Genehmigung eines Erweiterungsvorhabens.
Die Klägerin ist Eigentümerin des 1976 erbauten Pfarrhauses in F.. Dieses verfügt über eine Wohnfläche von 140 m2. Zwei 13,9 m2 große Zimmer sind als Kinderzimmer und ein 7,9 m2 großes Zimmer ist als Gäste- und Kinderzimmer gewidmet. Zur Wohnung gehört auch noch ein 7,5 m2 großer, direkt neben der Küche liegender Hausarbeitsraum. Im Pfarrhaus wohnen neben der Stelleninhaberin und deren Ehemann noch vier Kinder, zwei xxxx geborene Mädchen (Zwillinge), ein xxxx geborener Junge und ein xxxx geborenes Mädchen.
In seiner Sitzung am 18.05.2009 beschloss der Kirchengemeinderat der Klägerin, im Dachgeschoss des Pfarrhauses ein weiteres Kinderzimmer zu schaffen und zwar durch (vorübergehende) Umwidmung der dort genehmigten Registratur. Nach dem Beschluss übernimmt die Kirchengemeinde die Kosten für die Wände, die Tür, den Fußboden und das Streichen.
Mit Schreiben vom 19.05.2009 beantragte die Klägerin beim Ev. Oberkirchenrat die aufsichtsrechtliche Genehmigung dieses Beschlusses. Zur Begründung wurde ausgeführt, die vier Kinder benötigten ihren eigenen Bereich, wie es heute dem Lebensstandard vergleichbarer Familien entspreche. In den sehr klein bemessenen Kinderzimmern könnten die Kinder nicht zu zweit untergebracht werden. Der Hausarbeitsraum sei als viertes Kinderzimmer ungeeignet, weil er neben der Küche liege und sich nicht im Schlaftrakt der Wohnung befinde. Mit Schreiben vom 23.06.2009 lehnte die Beklagte die beantragte Genehmigung unter Hinweis auf die Pfarrhausrichtlinien und eine hierzu ergangene Entscheidung des Kirchlichen Verwaltungsgerichts ab. Es wurde empfohlen, nochmals die Umnutzung des Hausarbeitsraums zu prüfen. Falls dies nicht möglich sei, könne der Ausbau der Registratur als weiteres Kinderzimmer nur auf Kosten der Pfarrstelleninhaberin erfolgen. Die Klägerin könne der Pfarrstelleninhaberin hierfür ein zweckgebundenes Darlehen gewähren; die Genehmigung hierfür werde in Aussicht gestellt, wenn für das Darlehen eine entsprechende Verzinsung zugrunde gelegt werde. Der Ablehnungsbescheid wurde am 24.06.2009 über das Evang. Dekanatamt G. an die Klägerin abgesandt.
Am 01.07.2009 fand im Zusammenhang mit der Pfarrhaussanierung ein Gespräch zwischen dem Kirchengemeinderat der Klägerin und dem Oberkirchenrat in S. statt, bei dem im Hinblick auf die Frage der erforderlichen Kinderzimmer keine Einigung zustande kam.
Mit Beschluss vom 02.08.2009 gewährte die Klägerin der Stelleninhaberin ein zweckgebundenes Darlehen zur Finanzierung des Ausbaus eines weiteren Kinderzimmers im Dachgeschoss des Pfarrhauses in Höhe von 6.500 EUR bei einem Zinssatz von 2,4 %. Die Beklagte erteilte hierfür die erforderliche aufsichtsrechtliche Genehmigung. Die Stelleninhaberin stellte daraufhin das Kinderzimmer im Dachgeschoss des Pfarrhauses auf eigene Kosten her.
Mit Schreiben vom 16.11.2009 beantragte die Klägerin beim Ev. Oberkirchenrat erneut die Gewährung einer den Familienverhältnissen der derzeitigen Pfarrfamilie entsprechenden Dienstwohnung im Pfarrhaus F. und verwies zur Begründung auf den entsprechenden Kirchengemeinderatsbeschluss, die familiäre Situation der Pfarrfamilie und die Pfarrhausrichtlinien 2009, wonach Pfarrer und Pfarrerinnen Anspruch auf eine im Blick auf Dienstauftrag und Familienverhältnisse geeignete Dienstwohnung hätten. Ferner habe die Landessynode im Juli 2005 unter dem Titel „Zukunftsmodell Familie“ neun Thesen verabschiedet. Die letzte These ende mit der Kirche als familienfreundlicher Arbeitgeberin. Die Beklagte müsse sich dieser Vorbildfunktion bewusst sein. Mit Schreiben vom 14.04.2010 lehnte der Oberkirchenrat die beantragte Genehmigung wiederum ab. Hierfür bestehe kein Handlungsspielraum, weil die Pfarrhausrichtlinien 2009 für die Errichtung von Wohnraum für Pfarrerinnen und Pfarrer Obergrenzen darstellten. Sie sähen – ausgehend von einer Wohnfläche von 125 m2 drei Wohn- und Schlafzimmer für Kinder oder Gäste vor. In einem Punkt jedoch bestehe die Möglichkeit eines Zugeständnisses: Denn von der Stelleninhaberin seien nur die Mehrkosten des Ausbaus des Kinderzimmers gegenüber dem vorher in Aussicht genommenen Ausbau zu einer Registratur zu tragen. Letzterer hätte für 500,00 EUR errichtet werden können. Um diesen Betrag könne die genehmigte Darlehenssumme daher vermindert werden.
Das Schreiben vom 14.04.2010 wurde laut Aktenvermerk am „14.03.2010“ über das Evang. Dekanatamt G. an die Klägerin abgesandt.
Mit Anwaltsschreiben vom 04.07.2011 beantragte die Klägerin nochmals eine Genehmigung der Kostenübernahme für den Einbau eines Kinderzimmers im Dachgeschoss des Pfarrhauses und berief sich zur Begründung auf die Pfarrhausrichtlinien 2009. Diese sollten ein zeitgemäßes Wohnen ermöglichen und sähen in Ziffer 2.4 vor, dass im Rahmen des zugelassenen Bauvolumens nach Ziffer 2.5 zusätzlicher ausbaufähiger Wohnraum im Dachgeschoss eingeplant werden könne. Die Pfarrhausrichtlinien als Verwaltungsvorschriften beinhalteten Spielräume, welche die Beklagte nutzen könne. Das Urteil des Kirchlichen Verwaltungsgerichts aus dem Jahre 2003 sei für den vorliegenden Fall nicht maßgebend, da die dieser Entscheidung zugrunde liegenden Kinder wesentlich jünger gewesen seien. Zu beachten seien hingegen die Durchführungshinweise zum Landeswohnraumförderungsgesetz Baden-Württemberg, wonach Kinderzimmer für ein Kind mindestens 10 m2 und Kinderzimmer für zwei Kinder mindestens 15 m2 groß sein müssten. Keines der Kinderzimmer im Pfarrhaus erfülle diese Anforderungen. Auch Ziffer 3.5 der Pfarrhausrichtlinien gehe davon aus, dass im Pfarrhaus ein Mehrbedarf an Kinderzimmern vorhanden sein könne und sehe für diesen Fall in Bezug auf Schönheitsreparaturen eine Kostentragungslast des Wohnlastpflichtigen vor. Dies widerspreche aber der Vorstellung, dass die Pfarrhausrichtlinien eine Obergrenze darstellten.
Mit Schreiben vom 30.01.2012 verwies die Beklagte auf den bestandskräftigen Ablehnungsbescheid vom „14.03.2010“ (richtig: 14.04.2010) und die damals gegebene Begründung. Ein Wiederaufgreifen des abgeschlossenen Verfahrens lehnte sie mit Hinweis darauf ab, dass Wiederaufgreifensgründe nicht vorgetragen seien und auch nicht vorlägen.
Am 04.04.2012 hat die Klägerin beim Verwaltungsgericht der Evangelischen Landeskirche in Württemberg Klage erhoben, zu deren Begründung sie im Wesentlichen ausführt: Klageziel sei die gem. § 50 KGO erforderliche Genehmigung für den Umbau des Pfarrhauses in F.. Weder die KGO noch die Verordnung des Oberkirchenrats enthielten Aussagen zu den Kriterien, nach welchen die Genehmigung erteilt bzw. versagt werden könne. Zu Unrecht stütze sich die Beklagte auf die Pfarrhausrichtlinien des Jahres 2009, denn diese seien Verwaltungsvorschriften zur Auslegung der §§ 19 und 22 PfarrbesG und beinhalteten Spielräume, um im Einzelfall für alle Betroffenen eine angemessene Entscheidung treffen zu können. Die Pfarrhausrichtlinien sollten (nach Ziffer 2.1.) ein zeitgemäßes, gediegenes Wohnen ermöglichen und sähen in Ziffer 2.4 vor, dass im Rahmen des zugelassenen Bauvolumens nach Ziffer 2.5 zusätzlicher ausbaufähiger Wohnraum im Dachgeschoss eingeplant werden könne. Auch Ziffer 3.5 der Pfarrhausrichtlinien gehe davon aus, dass im Pfarrhaus ein Mehrbedarf an Kinderzimmern vorhanden sein könne und sehe für diesen Fall in Bezug auf Schönheitsreparaturen eine Kostentragungslast des Wohnlastpflichtigen vor. Dies widerspreche aber der Vorstellung der Beklagten, dass die Pfarrhausrichtlinien eine Obergrenze darstellten. Das Urteil des Kirchlichen Verwaltungsgerichts aus dem Jahre 2003 sei für den vorliegenden Fall nicht maßgebend, da die dieser Entscheidung zugrunde liegenden Kinder wesentlich jünger, nämlich im Alter zwischen 6 Monaten und 6 Jahren gewesen seien. Heranwachsende Kinder hätten hingegen andere Bedürfnisse. Zu beachten seien die Durchführungshinweise zum Landeswohnraumförderungsgesetz Baden-Württemberg, wonach Kinderzimmer für ein Kind mindestens 10 m2 und Kinderzimmer für zwei Kinder mindestens 15 m2 groß sein müssten. Keines der Kinderzimmer im Pfarrhaus erfülle diese Anforderungen. Vielmehr sei die Dienstwohnung im Pfarrhaus nicht geeignet, den Dienstwohnungsanspruch der Klägerin zu erfüllen. Hierzu sei die Beklagte jedoch verpflichtet. Auch § 6 Abs. 1 der Anlage 6 zur Wohnungsfürsorgeverordnung der Beklagten sehe - bezogen auf Kirchenbeamte – vor, dass Größe und Ausstattung der Dienstwohnung den familiären Verhältnissen des Dienstwohnungsinhabers genügen und eine angemessene Mindestfläche haben müssten. Auch dadurch werde der Anspruch der Klägerin gestützt, dass es sich zum einen nur um eine Mindestfläche handele, welche zum anderen den familiären Verhältnissen entsprechen müsse.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid des Evang. Oberkirchenrats vom 14.04.2010 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die beantragte Genehmigung für die vom Kirchengemeinderat der Klägerin am 18.05.2009 beschlossene Erweiterung der Dienstwohnung im Pfarrhaus F. zu erteilen,
hilfsweise:
den Bescheid des Evang. Oberkirchenrats vom 30.01.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die beantragte Genehmigung für die vom Kirchengemeinderat der Klägerin am 18.05.2009 beschlossene Erweiterung der Dienstwohnung im Pfarrhaus F. zu erteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die Klage bereits für unzulässig, da verfristet erhoben. Denn die begehrte Genehmigung sei von der Beklagten bereits mit Bescheid vom 14.04.2010, der Klägerin am 22.04.2010 zugegangen, bestandskräftig verweigert worden. Da diesem Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung beigefügt gewesen sei, habe die einjährige Klagefrist am 22.04.2011 geendet. Die Klage sei aber erst am 04.04.2012 erhoben worden, ohne dass Gründe vorlägen, die ausnahmsweise eine spätere Klageerhebung rechtfertigten. Da der Oberkirchenrat mit Schreiben vom 30.01.2012 keine erneute Entscheidung getroffen, sondern auf die Bestandkraft des Bescheides vom 14.04.2011 verwiesen habe, sei keine neue Klagefrist eröffnet worden. Hilfsweise sei einzuwenden, dass auch keine erneute Sachentscheidung durch die Beklagte zu treffen gewesen sei, weil sich der der Entscheidung vom 14.04.2011 zugrunde liegende Sachverhalt nicht geändert habe. Höchst hilfsweise werde vorgetragen, dass die Klage auch unbegründet wäre. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Genehmigung des Umbaus und Umnutzung des Pfarrhauses dergestalt, dass die Registratur im Dachboden umgewidmet und auf Kosten der Klägerin zu einem Kinderzimmer umgebaut werde. Bei dieser Maßnahme handele es sich um ein genehmigungspflichtiges Bauvorhaben i.S.v. § 50 Abs. 1 Nr. 10 KGO. Zwar hätten Pfarrer und Pfarrerinnen mit Dienstwohnungsberechtigung aus § 1 der Kirchlichen Verordnung zur Ausführung von §§ 19 und 22 PfarrbesG i.V.m. den Pfarrhausrichtlinien 2009 – welche Teil dieser Verordnung und nicht lediglich „Verwaltungsvorschriften“ seien - Anspruch auf eine mit Blick auf die Familienverhältnisse geeignete Dienstwohnung. Ein Anspruch der Klägerin auf entsprechende Gestaltung der Dienstwohnung aus den Pfarrhausrichtlinien bestehe aber nicht. Nach Nr. 1 Satz 5 dieser Richtlinien seien bei der konkreten Entscheidung über die Eignung einer Wohnung als Dienstwohnung die landeskirchlichen Wohnungsfürsorgerichtlinien (jetzt: Wohnungsfürsorgeverordnung) heranzuziehen, wobei stets von einer Grundfläche von 70 m2 ausgegangen werde. Nr. 5.2 WVO zufolge gelte im konkreten Fall für die sechsköpfige Pfarrfamilie eine Wohnfläche von bis zu 120 m2 als familiengerechte Wohnungsgröße, wobei pro Kind generell eine Wohnfläche von insgesamt 10 m2 als ausreichend angesehen werde. Diese Anforderungen würden hier erfüllt, weil das Pfarrhaus F. ohne die ausgebaute Registratur eine Wohnfläche von insgesamt 140 m2 aufweise. Durch die Bestimmungen der Pfarrhausrichtlinien würden die zulässigen Obergrenzen der Wohnungsgröße und Ausstattung geregelt. Ein Rechtsanspruch auf Erfüllung dieser Obergrenzen im Einzelfall bestehe nicht. Wie auch das Verwaltungsgericht der Ev. Landeskirche in Württemberg in seinem Urteil vom 04.04.2003 (Az.: VG 19/02) festgehalten habe, regelten die Pfarrhausrichtlinien nicht nur den Anspruch des Pfarrers auf eine angemessene Dienstwohnung als Teil seines Besoldungsanspruchs, sondern beschränkten zugleich die Kirchengemeinden in ihrer Möglichkeit, einem Gemeindepfarrer eine überobligatorische zusätzliche Vergütung zukommen zu lassen. Die beantragte Genehmigung bewirke eine solche überobligatorische Vergütung und führe zu einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung der Pfarrstelleninhaberin im Vergleich zu anderen Pfarrerinnen und Pfarrern. Überdies sei zu beachten, dass das für Neubauten beschriebene und festgelegte Raumprogramm grundsätzlich nicht für Umbau- oder Instandsetzungsmaßnahmen bei vorhandenen Räumen gelte (vgl. Nr. 3.1. der Pfarrhausrichtlinien). Der Hinweis der Klägerin auf Nr. 2.4. der Pfarrhausrichtlinien sei daher irrelevant. Schönheitsreparaturen außerhalb der fünf meistgenutzten Räume trage ohnehin grundsätzlich der dienstwohnungsberechtigte Stelleninhaber. Die von der Klägerin zitierten Vorschriften des Landeswohnraumförderungsgesetzes seien, zumal sie mit den Vorgaben der Pfarrhausrichtlinien nicht übereinstimmten, nicht maßgeblich.
Die Klägerin hat hierauf noch erwidert: Die Klage sei nicht verfristet, weil das Schreiben der Beklagten vom 14.04.2010 – ausweislich des Eingangsstempels - am 22.04.2010 zwar dem Ev. Dekanat G., nicht aber ihr selbst zugegangen sei. Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten seien die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 88 KVwGG nicht heranzuziehen, da diese Vorschrift an ein gerichtliches Verfahren anknüpfe, es hier jedoch um ein außergerichtliches Vorgehen gehe. Die beträchtliche Verfahrensverzögerung sei im Übrigen darauf zurückzuführen, dass der Ablehnungsentscheidung vom 14.04.2010 keine rechtlichen Hinweise auf einen Fristenlauf zu entnehmen gewesen seien und der stellvertretende Laienvorsitzende der Klägerin die Angelegenheit weiterbearbeitet habe, sobald es ihm aufgrund seines Gesundheitszustands möglich gewesen sei. Die Ausführungen der Beklagten ließen erkennen, dass sie den Pfarrhausrichtlinien zu Unrecht Gesetzesrang einräume und verkenne, dass es sich nur um eine ermessensleitende Handlungsanweisung handele, von welcher im Ausnahmefall abgewichen werden könne. Eine Ermessensausübung sei hier aber unterblieben, weshalb der rechtswidrige Verwaltungsakt auch nach seiner Unanfechtbarkeit habe zurückgenommen werden können. Der Antrag vom 04.07.2011 sei entsprechend auszulegen gewesen. Die Ablehnungsentscheidung vom 30.01.2012 lasse erkennen, dass eine derartige Prüfung nicht stattgefunden habe und folglich auch im Zusammenhang mit der Prüfung einer Rücknahme erneut kein Ermessen ausgeübt worden sei. Damit sei die Klage weder verfristet noch unzulässig. Die von der Beklagten vorgegebene Lösung führe zu einer Ungleichbehandlung der Stelleninhaberin gegenüber Kolleginnen und Kollegen, weil nach den Pfarrhausrichtlinien für weitere Kinder- und Gästezimmer Schönheitsreparaturen vom Wohnpflichtigen getragen würden. Im Ergebnis führe dies zu einer Diskriminierung im Sinne von Art. 3 Abs. 1 GG, welche auch unter Fürsorgegesichtspunkten nicht zu rechtfertigen sei. Soweit die Beklagte sich darauf berufe, dass pro Kind eine Wohnfläche von 10 m2 ausreichend sei, müsse beachtet werden, dass nicht jedes Kind der Pfarrfamilie ein Zimmer in dieser Größe bewohnen könne.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten, die Gerichtsakten und die von der Beklagten übersandten zugehörigen Behördenakten verwiesen.
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Entscheidungsgründe

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Das Verwaltungsgericht konnte nach dem Widerruf des in der mündlichen Verhandlung am 12.07.2013 abgeschlossenen Vergleiches ohne weitere mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten mit dieser Verfahrensweise einverstanden waren (§ 61 Abs. 2 KVwGG).
1. Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin im Hauptantrag die Verpflichtung der Beklagten, ihr antragsgemäß eine Genehmigung für die vom Kirchengemeinderat am 18.05.2009 beschlossene Erweiterung der Dienstwohnung im Pfarrhaus F. zu erteilen. Der Klageantrag enthält zusätzlich den Hilfsantrag, die Beklagte für den Fall, dass ein Genehmigungsanspruch nicht besteht, wenigstens zu verpflichten, über ihren Genehmigungsantrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
Der so verstandene Klageantrag ist bereits unzulässig.
a) Statthaft ist die Verpflichtungsklage (§ 10 Abs. 2 KVwGG), denn mit Bescheid vom 14.04.2010 hat die Beklagte die Erteilung einer Genehmigung nach § 50 Abs. 1 Nr. 10 KGO, mithin die Vornahme eines Verwaltungsaktes, abgelehnt. Der Klägerin steht auch die notwendige Klagebefugnis (§ 10 Abs. 2 KVwGG) zur Seite. Denn es erscheint nicht nach jeder Betrachtungsweise von vornherein als ausgeschlossen, dass die Verweigerung der beantragten Genehmigung ihr Selbstverwaltungsrecht verletzen könnte. Nach § 2 Satz 2 KGO steht ihr als Kirchengemeinde das Recht zu, ihre Angelegenheiten innerhalb der Schranken des Gesetzes selbständig zu ordnen und zu verwalten. Hierunter fällt grundsätzlich auch das Recht, Bauvorhaben durchzuführen.
b) Jedoch ist vorliegend die Klagefrist des § 34 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 KVwGG nicht eingehalten. Da die Entscheidung des Oberkirchenrats vom 14.04.2010 nicht der Nachprüfung in einem Widerspruchsverfahren unterliegt (§ 42 VVZG-EKD i.V.m. § 14 Nr. 2 AG VVZG-EKD) und diese Entscheidung nicht die gem. § 19 Abs. 1 KVwGG erforderliche Rechtsmittelbelehrung aufweist, musste die Klage innerhalb eines Jahres nach Bekanntgabe an die Klägerin erhoben werden (§ 34 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 19 Abs. 2 KVwGG). Die Entscheidung vom 14.04.2010 wurde laut Aktenvermerk am „14.03.2010“ (richtig: 14.04.2010) zur Post gegeben und über das Dekanatamt G. an die Klägerin weitergeleitet. Im Dekanatamt ist die Verfügung, wie sich aus den vorliegenden Behördenakten ergibt, am 22.04.2010 eingegangen. Dort wurde sie in das für die Klägerin bestimmte Postfach eingelegt und einige Tage später von der zuständigen Pfarrerin abgeholt. Die Vertreter der Beklagten haben hierzu in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, die Abholung sei „innerhalb einer Woche“ geschehen. Die Klägerin ist diesen Ausführungen nicht entgegen getreten, weshalb das Gericht zu der Überzeugung gelangt ist, dass die Klägerin spätestens Anfang Mai 2010 von der angefochtenen Verfügung des Oberkirchenrats Kenntnis erlangt haben muss. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hat dann auch die Jahresfrist für die Klageerhebung zu laufen begonnen mit der Konsequenz, dass die Klage am 04.04.2012 verspätet erhoben wurde.
2. Die Klage bleibt auch im Hilfsantrag ohne Erfolg. Mit dem Ablehnungsbescheid vom 30.01.2012, bei dem es sich ebenfalls um einen Verwaltungsakt handelt, hat die Beklagte es abgelehnt, über den bereits abgelehnten Genehmigungsantrag der Klägerin im Wege des Wiederaufgreifens nach § 40 VVZG-EKD erneut zu entscheiden.
a) Auch insoweit ist die Verpflichtungsklage statthaft. Jedenfalls in Fällen gebundener Verwaltung hat das Gericht die Pflicht, die Streitsache spruchreif zu machen, und zwar auch in solchen Verfahren, die auf die Erteilung eines Zweitbescheides im Wege des Wiederaufgreifens nach § 40 VVZG-EKD bzw. § 51 VwVfG gerichtet sind. Der Klageantrag der Klägerin richtet sich deshalb zu Recht nicht lediglich auf eine Verpflichtung der Beklagten zum Wiederaufgreifen des Verwaltungsverfahrens („erste Stufe“), sondern darauf, die begehrte Genehmigung – bei Durchführung eines neuen Verwaltungsverfahrens - in der Sache zu erteilen (vgl. zum sogenannten „Durchentscheiden“ im Falle des § 51 VwVfG BVerwG, Urt. v. 10.02.1998 – 9 C 28.97 -; Urteil vom 21.04.1982 – 8 C 75.80-, Buchholz 316 § 51 VwVfG Nr. 11).
Die Klagefrist des § 34 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 KVwGG ist insoweit eingehalten. Da der Ablehnungsbescheid vom 30.01.2012 ohne die erforderliche Rechtsmittelbelehrung ergangen ist, musste die Klage gegen diesen Bescheid innerhalb der Jahresfrist des § 19 Abs. 2 KVwGG erhoben werden. Diese Frist wurde durch die am 04.04.2012 erhobene Klage gewahrt.
b) Die mithin zulässige Klage ist jedoch unbegründet. Die Klägerin kann von der Beklagten nicht verlangen, dass ihr im Wege des Wiederaufgreifens des abgeschlossenen Verwaltungsverfahrens die beantragte Genehmigung für die Erweiterung der Dienstwohnung im Dachgeschoss des Pfarrhauses von F. durch Schaffung eines weiteren Kinderzimmers erteilt wird. Die ablehnende Entscheidung des Oberkirchenrats vom 30.01.2012 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 78 Abs. 5 Satz 1 KVwGG).
aa) Mit ihrem Antrag vom 04.07.2012 hat die Klägerin der Sache nach einen Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 40 Abs. 1 VVZG-EKD gestellt. Denn über die zur Genehmigung gestellte Baumaßnahme war zu diesem Zeitpunkt mit Bescheid des Oberkirchenrats vom 14.04.2010 bereits unanfechtbar entschieden. Die Zulässigkeitsvoraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens liegen indes nicht vor. Von den in § 40 Abs. 1 KVwGG genannten Zulassungsgründen kommt hier alleine Nr. 1 in Betracht, wonach die Kirchenbehörde auf Antrag über die Aufhebung und Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsakts zu entscheiden hat, wenn sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- und Rechtslage zugunsten des Betroffenen geändert hat. Hier ist weder vorgetragen noch erkennbar, dass und inwiefern sich die der Ablehnungsentscheidung vom 14.04.2010 zugrunde liegende Sachlage nachträglich zugunsten der Klägerin geändert haben könnte. Der mit Antrag vom 04.07.2012 erneut zur Entscheidung unterbreitete Sachverhalt ist vielmehr vollständig deckungsgleich mit dem Sachverhalt, über den der Oberkirchenrat bereits mit Bescheid vom 14.04.2010 entschieden hatte.
bb) Die Beklagte war hier auch nicht zu verpflichten, die ergangene Entscheidung vom 14.04.2010 außerhalb des (eigentlichen) Wiederaufgreifensverfahrens nach den Vorschriften des § 40 Abs. 5 VVZG-EKD i.V.m. §§ 36, 37 VVZG-EKD aufzuheben (sog. Anspruch auf Wiederaufgreifen im weiteren Sinne). Denn die Klägerin hat keinen allgemeinen strikten Anspruch auf ein Wiederaufgreifen des Verfahrens und den Erlass eines Zweitbescheides, selbst wenn der angegriffene Verwaltungsakt – hier die Entscheidung des Oberkirchenrats vom 14.04.2010 – rechtswidrig sein sollte (vgl. zum Parallelproblem im staatlichen Recht BVerwG, Beschl. v. 16.08.1989 – 7 B 57.89 -, NVwZ-RR 1990, 26f; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 31.01.1989 – 9 S 1141/88 -, NVwZ 1989, 882, 884). Bei der Ablehnung des Wiederaufgreifens (im weiteren Sinne) handelt es sich vielmehr um eine Ermessensentscheidung der Behörde, welche lediglich auf Ermessensfehler hin überprüft werden kann. Im Regelfall begründet es aber keinen Ermessensfehler, wenn die Behörde – wie hier der Oberkirchenrat in dem Schreiben vom 30.01.2012 - auf die Bestandskraft ihrer früheren Entscheidung verweist und (letztlich mit Blick auf den Gesichtspunkt der Rechtssicherheit) eine Abänderung dieser bereits getroffenen Entscheidung ablehnt. Anderes mag dann gelten, wenn die Aufrechterhaltung der früheren Entscheidung schlechthin unerträglich oder ein Wiederaufgreifen des Verfahrens verfassungsrechtlich geboten ist, wenn sich die Berufung auf die Bestandkraft des Erstbescheides als Verstoß gegen Treu und Glauben darstellt oder die Behörde sich durch das Wiederaufgreifen vergleichbarer Fälle selbst in ihrer Verwaltungspraxis gebunden hat (vgl. dazu Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl., § 51 Rdnr. 19f, m.w.N.). Keine der genannten besonderen Fallgestaltungen liegt hier jedoch vor. Auch die Behauptung der Klägerin, die frühere Entscheidung vom 14.04.2010 sei rechtswidrig, musste die Beklagte nicht veranlassen, das Verfahren wiederaufzugreifen. Vielmehr konnte der Oberkirchenrat das Wiederaufgreifen ermessensfehlerfrei mit der Begründung ablehnen, es bestehe kein Grund für eine neue Sachentscheidung, zumal keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die bestandskräftige Ablehnungsentscheidung vom 14.04.2010 rechtswidrig zustande gekommen sein könnte (vgl. hierzu Sachs in Sachs/Stelkens/Bonk, VwVfG, 7. Aufl., § 51 Rdnr. 20 m.w.N.).
Kostenentscheidung beruht auf § 89 Abs. 1 KVwGG.