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und Urteil des Verwaltungsgerichts
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Kirchengericht: | Verwaltungsgericht der Evangelischen Landeskirche in Württemberg |
Entscheidungsform: | Urteil |
Datum: | 11.10.2013 |
Aktenzeichen: | VG 02/13 |
Rechtsgrundlage: | § 33 Abs. 4 WürttPfG (zu § 105 PfDG.EKD); § 91 Abs. 3 PfDG.EKD |
Vorinstanzen: | keine |
Schlagworte: | Dienstfähigkeit, Untersuchungsaufforderung Rechtscharakter, Vertrauensärztliche Untersuchung, Verwaltungsakt, Vorverfahren Entbehrlichkeit |
Leitsatz
und Urteil des Verwaltungsgerichts
der Evangelischen Landeskirche in Württemberg
vom 11. Oktober 2013
#Leitsatz:
- Bei der Anfechtung eines Verwaltungsaktes kann die Durchführung eines normativ notwendigen Vorverfahrens im Einzelfall entbehrlich sein, wenn die - fehlerhafte - Rechtsmittelbelehrung auf eine unmittelbare Klagemöglichkeit verweist.
- Die gegenüber einem Beamten ergangene Anforderung, sich zur Klärung seiner Dienstfähigkeit ärztlich untersuchen zu lassen, stellt auch nach kirchlichem Recht keinen Verwaltungsakt dar (vgl. für den staatlichen Bereich: BVerwG, Urteil v. 26.04.2012 - II C 17/10 -, ZBR 2013, 128).
- Erlässt eine kirchliche Stelle einen Verwaltungsakt, ohne dass ihr rechtlich die Kompetenz für ein Handeln in dieser Form eingeräumt ist, ist der Verwaltungsakt schon aus formalen Gründen aufzuheben.
Tenor:
Der Bescheid des Oberkirchenrats vom 02.04.2013 wird aufgehoben. | |
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. |
Tatbestand
###Die Klägerin wendet sich gegen eine Aufforderung, sich vertrauensärztlich untersuchen zu lassen.
Die Klägerin wurde XXXX geboren, sie ist Pfarrerin der Evangelischen Landeskirche.
Im Jahre 2012 hatte sie u.a. im Blick auf ihren weiteren Berufsweg bis zum Eintritt in den Ruhestand an einem Personalberatungsprozess beim Institut für Personalberatung, Organisatationsentwicklung und Supervision in der EKHN (IPOS) teilgenommen. Einen von Seiten des Oberkirchenrats angeregten Trialog als Abschluss des Beratungsprozesses lehnte die Klägerin ab. Sie wurde deshalb vom Oberkirchenrat mit Schreiben vom 01.03.2013 zu einem Gespräch am 22.03.2013 über ihre beruflichen Perspektiven eingeladen. Dieser Einladung kam die Klägerin nicht nach, sie erklärte in einem Schreiben vom 12.03.2013, sie komme zu dem Schluss, dass es vorläufig besser sei, nur noch schriftlich zu korrespondieren.
In einem Schreiben vom 02.04.2013 forderte der Oberkirchenrat die Klägerin auf, sich einer vertrauensärztlichen Untersuchung bei Prof. Dr. L. zu unterziehen. Das Schreiben war mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen, in der auf eine Klagemöglichkeit beim Verwaltungsgericht der Landeskirche hingewiesen wurde. Zur Begründung wurde dargelegt, der Oberkirchenrat habe den Eindruck gewonnen, dass die psychische Konstitution der Klägerin eine Erfüllung ihrer Dienstpflichten dauerhaft unmöglich mache; hierzu wurden weitere Ausführungen gemacht.
Mit Schreiben vom 07.05.2013 forderte der Oberkirchenrat die Klägerin erneut auf, sich beim landeskirchlichen Vertrauensarzt am 10.05.2013, alternativ am 23.05.2013, vorzustellen, damit ein fachärztliches Gutachten über ihre Dienstfähigkeit erstellt werden könne. Weiter heißt es in dem Bescheid, die sofortige Vollziehung „der ergangenen Aufforderungen“ werde im kirchlichen Interesse angeordnet.
Bereits am 19.04.2013 hatte die Klägerin gegen die erste Aufforderung des Oberkirchenrats zur vertrauensärztlichen Untersuchung vom 02.04.2013 Klage erhoben, wobei sie u.a. geltend machte, es lägen in ihrer Person keine Gründe vor, die eine solche Aufforderung rechtfertigten. Im Übrigen sei auch die Rechtsnatur der Aufforderung unklar.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid des Oberkirchenrats vom 02.04.2013 aufzuheben. |
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen. |
Auf die Klage erwidernd wird dargelegt, mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung sei davon auszugehen, dass es sich bei der Anordnung, sich einer ärztlichen Begutachtung zu unterziehen, nicht um einen Verwaltungsakt handle. Daher sei eine dagegen erhobene Klage „eigentlich nur als Verpflichtungsklage“ zulässig. Da aber irrtümlich die Form eines Verwaltungsakts gewählt und insbesondere eine Rechtsbehelfsbelehrung erteilt worden sei, sei das erste Aufforderungsschreiben formal als Verwaltungsakt zu behandeln, so dass eine dagegen eingereichte Anfechtungsklage – unabhängig von ihrer Zulässigkeit – möglicherweise gemäß § 38 KVwGG aufschiebende Wirkung entfalte. Daher habe die zweite Aufforderung gegenüber der Klägerin zum einen die notwendige Klarstellung der von der Beklagten angenommenen Rechtsnatur der Maßnahme im Blick auf die zweite Aufforderung und zum anderen die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit der formal als Verwaltungsakt erlassenen ersten Anordnung gemäß § 38 Abs. 2 Nr. 2 KVwGG enthalten. Ferner wird dargelegt, die Aufforderung sei auch in materieller Hinsicht zu Recht ergangen.
Dem Gericht haben die in der Sache angefallenen Akten des Oberkirchenrats vorgelegen. Auf sie und auf die im gerichtlichen Verfahren angefallenen Akten wird wegen weiterer Einzelheiten verwiesen.
#Entscheidungsgründe
###Die Klage ist zulässig. Zwar ist seit 01.01.2013 vor Erhebung einer das Pfarrdienstverhältnis betreffenden Klage - auch gegen Bescheide des Oberkirchenrats - ein Vorverfahren durchzuführen (§ 33 Abs. 4 Württembergisches Pfarrergesetz - WürttPfG - in der Fassung vom 27.11.2012), vorliegend hat die Beklagte diesen Mangel aber nicht ausdrücklich gerügt, sondern sich auf die Klage sachlich eingelassen, so dass jedenfalls für einen Fall der vorliegenden Art, bei dem Ausgangs- und Widerspruchsbehörde identisch sind und der für die Beklagte handelnde Oberkirchenrat selbst eine Rechtsmittelbelehrung mit dem Hinweis auf eine Klagemöglichkeit erteilt hat, die Durchführung des Vorverfahrens entbehrlich ist (vgl. auch BVerwG, Urteil v. 04.08.1993 - 11 C 15/92 -, juris, m.w.N.; VGH Baden-Württemberg, Urteil v. 23.09.1991 - 1 S 1746/91 -, juris).
Die Klage ist auch begründet. Die mit Rechtsmittelbelehrung versehene und damit in der Form eines Verwaltungsakts ergangene Aufforderung des Oberkirchenrats an die Klägerin vom 02.04.2013, sich einer amtsärztlichen Untersuchung zu unterziehen, ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Verfügung ist deshalb aufzuheben.
Rechtsgrundlage für die Aufforderung zur amtsärztlichen Untersuchung ist seit dem Inkrafttreten des Pfarrdienstgesetzes der EKD (PfDG.EKD) – für die Evangelische Landeskirche in Württemberg damit seit 01.01.2013 - § 91 Abs. 3 PfDG.EKD. Nach dieser Vorschrift kann die Pfarrerin oder der Pfarrer verpflichtet werden, ein ärztliches Gutachten über die Dienstfähigkeit vorzulegen und sich, falls dies für erforderlich gehalten wird, ärztlich beobachten zu lassen.
Normen mit vergleichbarem Regelungsgehalt finden sich auch in den staatlichen Beamtengesetzen (vgl. etwa § 29 Abs. 5 BeamtStG, § 44 Abs. 6 BBG, § 53 Abs. 1 LBG). Unstreitig dürfte dabei für den staatlichen Bereich gelten, dass die gegenüber einem Beamten ergangene Anforderung, sich zur Klärung seiner Dienstfähigkeit ärztlich untersuchen zu lassen, keinen Verwaltungsakt darstellt (vgl. aus neuerer Zeit BVerwG, Urteil v. 26.04.2012 - II C 17/10 -, ZBR 2013, 128). Nichts anderes hat nach Auffassung des erkennenden Gerichts auch für die dem staatlichen Recht nachgebildete Regelung des § 91 Abs. 3 PfDG.EKD zu gelten. Besonderheiten des Pfarrdienstverhältnisses sind nicht ersichtlich, die eine andere Beurteilung nahe legen könnten. So wird dies im Übrigen nunmehr auch vom Oberkirchenrat gesehen, wie die Ausführungen im gerichtlichen Verfahren zeigen. Danach handelt es sich auch bei der Anordnung nach § 91 Abs. 3 PfDG.EKD um keinen Verwaltungsakt, sondern um einen einzelnen Schritt in dem gestuften Verfahren, das bei Feststellung der Dienstunfähigkeit mit der Zurruhesetzung endet (so BVerwG, Urteil v. 26.04.2012, a.a.O.).
Folge hiervon ist, dass eine derartige Anordnung weder in Bestandskraft erwachsen, also unanfechtbar werden kann, noch im Wege des Verwaltungszwangs, soweit dieser grundsätzlich zur Verfügung steht, durchsetzbar ist. Als Sanktion für eine Nichtbefolgung der Anordnung sieht das Pfarrdienstgesetz denn auch ausschließlich vor, dass die Pfarrerin oder der Pfarrer - bei zweimaliger Nichtbefolgung der schriftlichen Aufforderung - so behandelt werden kann, als sei die Dienstunfähigkeit ärztlich bestätigt worden. Sollte daraufhin eine Versetzung der Pfarrerin oder des Pfarrers in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit erfolgen, so kann (erst) im Rahmen dieses Verfahrens - ggf. gerichtlich - die materielle Rechtmäßigkeit der Anordnungen überprüft, also der Frage nachgegangen werden, ob die Anordnungen sachlich begründet waren.
Existierte für die Anordnung an die Klägerin, sich ärztlich untersuchen zu lassen, in der vom Oberkirchenrat gewählten Form des Verwaltungsaktes damit aber keine Ermächtigungsgrundlage, so war die so erlassene Anordnung bereits aus formalen Gründen rechtswidrig, ohne dass es auf den Inhalt und die Begründung dieser Anordnung ankam. Diese formale Rechtswidrigkeit wirkte sich auch zulasten der Klägerin aus, denn diese war gezwungen, hiergegen vorzugehen, wollte sie nicht riskieren, in einem Verfahren um ihre Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit nach § 91 Abs. 4 PfDG.EKD mit der Bestandskraft dieses Verwaltungsakts konfrontiert zu werden mit der Folge, dass dessen Rechtmäßigkeit einer Überprüfung entzogen wäre (vgl. zu einer vergleichbaren Konstellation bei einer Mitteilung nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 StVG: VG Hamburg, Urteil v. 04.06.2008 - 15 K 3395/07 -, juris).
Eine Rechtsverletzung zu Lasten der Klägerin läge möglicherweise nur dann nicht vor, wenn man von der Nichtigkeit der als Verwaltungsakt erlassenen Anordnung auszugehen hätte, was nur der Fall wäre, wenn diese an einem besonders schwerwiegenden Fehler litte oder gegen Schrift und Bekenntnis verstieße und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich wäre (§ 32 Abs. 1 VVZG.EKD). Denn unter dieser Voraussetzung wäre der Verwaltungsakt von Anfang an unwirksam, Bestandskraft könnte dann nicht eintreten. Eine derartige Fallgestaltung lässt sich in Anbetracht des konkreten Sachverhalts aber nicht feststellen. Im Übrigen stünde der Klägerin aber selbst im Falle der Nichtigkeit der Aufforderung wohl ein Anspruch auf Aufhebung oder jedenfalls auf Feststellung der Nichtigkeit bereits aus Gründen der Rechtsklarheit zu.
Nach allem ist die angefochtene Verfügung aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 89 Abs. 1 KVWGG.